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GESPRÄCH
Der Ratschenbauer
Alois Hajny aus Schwarzenbach ist der Letzte seiner Zunft
Viele alte Handwerkstechniken sind einfach und
zeugen von einer gewissen Genialität. Vor allem be-
nötigen sie keine künstliche, sondern nur mensch-
liche Energie. Obwohl es wahrscheinlich ein nicht
wieder gutzumachender Verlust ist, wenn es ver-
säumt wird, diesen Erfahrungsschatz zu bewah-
ren, gehen gewisse Fertigkeiten mit den Letzten
ihrer Zunft unwiederbringlich verloren. Ein solches
„Urgestein“, das sich auf die Herstellung von Axt-
stielen, Rechen, Hobelbänken und der legendär-
en Ratschen versteht, ist Alois Hajny, den alle nur
den „Kroner Luis“ nennen. Ein potenzieller Erbe für
sein Wissen im Umgang mit dem Werkstoff Holz ist
nicht in Sicht. Das Schild „Bitzler-Atelier“ über der
Eingangstüre brachte schon viele zum Schmunzeln.
Wer näher darüber nachdenkt, muss dem Ideen-
geber, einem Freund, recht geben, dass die Wort-
kombination absolut zutrifft, denn der Eigentümer
widmet sich in seinem kleinen Reich wirklich der
Kunst, nämlich der Handwerkskunst – aufgrund der
Abstammung mit altböhmischem Einfluss.
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Wann hast Du die erste Ratsche gebaut? Erinnerst Du dich noch?
Alois Hajny
: So genau weiß ich das nicht mehr. Aber es muss so Anfang der 1970er Jahre gewesen sein. Die ersten Aufträge
erhielt ich von jungen Burschen aus Schwarzenbach. Die Stabilität meiner Prototypen hat sich sehr schnell herumgesprochen
und so kamen die Anfragen auch von außerhalb.
Wer sich die hölzerne Konstruktion einmal genauer ansieht, kann erst ermessen, welches Knowhow und welche Logik da-
hinter stecken. Wer hat dir die Funktionsweise erklärt bzw. dich in die Bauweise eingeführt?
Alois Hajny:
Ich habe es mir selber gelernt. Das liegt wohl an den Genen. Es ist alles aufeinander abgestimmt. Die Raffinesse
ist, dass jeder Hammer einzeln anschlägt.
Weißt Du, wann das Ratschen in der Gemeinde Lohberg seinen Ursprung hatte?
Alois Hajny:
Ich kann mich daran erin-
nern, seit ich hier bin. Anfangs durfte ich
nicht mitgehen, weil ich ein Flüchtling
war. Ich verlebte den ersten Teil meiner
Kindheit in Böhmisch Eisenstein, wo mich
nacheinander schwere Schicksalsschläge
trafen. Meine Mutter starb, als ich erst
zwei Jahre alt war. Mit acht Jahren habe
ich meinen Vater zum letzten Mal gese-
hen, als er auf Urlaub von der Front in
Russland kurz zuhause war. Er hat schon
befürchtet, dass er nicht wiederkommt.
Danach war ich Vollwaise und die Oma
schon krank. Mit elf Jahren kam ich als
Aussiedler auf den „Kronerhof“. Dort fand
ich bei meinen Pflegeeltern ein Dach
über den Kopf und ein Zuhause.
Alois Hajny vor seiner „Ratschen-Kollektion“: Die Funktionsweise ist durch-
dacht und erfordert viel handwerkliches Geschick. Geht wirklich ein Bauteil
aufgrund der Abnützung zu Bruch, tauscht es der Fachmann auch aus.
Der Eingang zu seiner Werkstatt trägt die Aufschrift „Bitzler-Atelier“.
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